„Capucine, unsere vergessene Hollywood-Ikone“. Der Titel dieses Buches von Blaise Hofmann ist ein wenig irreführend. Capucine, Mode-Ikone und Hollywoodstar, hat zwar fast drei Jahrzehnte lang in Lausanne gelebt, „uns“ hat sie aber keinesfalls gehört: Sie war von Geburt Französin und berufshalber Cosmopolitin. Es ist noch nicht einmal sicher, ob sie sich in Lausanne wohl gefühlt hat. Immerhin, so erfahren wir, lebten Audrey Hepburn, ihre beste Freundin, sowie andere Kollegen auf der Film- und Modewelt in der Nähe.
Capucine wer? Ich habe den Namen gegoogelt und bin auf eine Reihe Presse-Bilder gestossen mit einem Gesicht, das mir irgendwie bekannt vorkam. Die Fotos zeigen Capucine das Modell, Capucine die Schauspielerin, Capucine, die für französischen Chic steht, die Dame von Welt. Aber in meinem Gedächtnis wollte sich einfach keine Rolle auftun, in welcher ich die Schauspielerin gesehen hatte, keine Werbung mit ihr, einfach nichts. Und dennoch, so erfahre ich, war Capucine in den 60er Jahren und hinein in die Siebziger eine der berühmtesten Frauen Hollywoods. Sie lebte im Luxus, umgeben von Freunden und Kollegen aus der Filmwelt, sie hat mit unvergessenen Schauspielern und Regisseuren gedreht. Ihre Filmografie ist beachtlich, darunter sind Titel wie „What’s new, Pussycat“ oder „Der rosarote Panther“. Wie konnte so ein Star einfach vergessen gehen?
An dieser Frage beisst sich auch Blaise Hofmann die Zähne aus. Er versucht eine literarische Annäherung an eine weibliche Schönheit, von der wie es scheint nichts als Hochglanzbilder geblieben sind. Auf allen ist sie gepflegt, elegant, perfekt geschminkt. In Kleidern von Hubert Givenchy sieht sie schlichtweg umwerfend aus. Doch diese Fotos sind nichts als Projektionsflächen für alle, die in diese Frau etwas hineindeuten wollen. War sie abweisend, humorvoll, göttlich, geheimnisvoll, mütterlich, gebildet, ein Vamp, zurückhaltend, freundlich, hochnäsig, treu? Offenbar war sie von allem etwas, je nachdem, welche Rolle ihr gerade zugewiesen wurde.
Blaise Hofmann bleibt soweit es geht bei den Fakten. Und stösst auf wenig Erhellendes, was uns ermöglichen würde, ihren Charakter zu erfassen. Humorvoll sei sie als Kind gewesen, lebhaft, mit einen Drang nach mehr. Auch die weiteren Berichte über ihren Werdegang und wachsenden Erfolg sind wenig aussagekräftig. Es scheint, als wäre die wahre Capucine im Schatten der Scheinwerferlichter verschwunden oder hätte sich mit Absicht dorthin zurückgezogen. Dazu passt denn auch ihr trauriger Abgang: Sie stürzte sich 1990 von ihrem Balkon im achten Stock eines Lausanner Appartementhauses.
Hofmann erliegt nicht der Versuchung, sich das Leben von Capucine zurechtzubasteln. Er nimmt die Fragmente, die er noch über sie finden kann. Er spricht mit Bediensteten, Freunden, Kollegen, Nachbarn, trägt zusammen, hinterfragt sich selber und das Ziel seiner Arbeit. Er zweifelt an sich, am Thema, an den Aussagen der Menschen, die Capucine getroffen haben, er zitiert aus Interviews. Nicht selten sind die Aussagen widersprüchlich. Der Autor lässt das so stehen. Und schafft eine respektvolle Hommage an eine Frau, geheimnisvoll, voller Widersprüche, am Ende verzweifelt, weil das Alter auch auf Ikonen keine Rücksicht nimmt und Hollywood mit alternden Göttinnen noch weniger anfangen kann. Vielleicht aber ist dieses Buch gleichfalls eine Hommage an all jene, die den Traum vom Berühmtsein träumen und erfahren müssen, dass der Erfolg nicht selten seine eigenen Kinder frisst.
Titel: Capucine, Unsere vergessene Hollywood-Ikone, 189 Seiten
Autor: Blaise Hofmann, aus dem Französischen von Barbara Traber
Verlag: Zytglogge, 2020,
ISBN 978-3-7296-5032-9
Kurzbeschrieb/-bewertung: Manchmal übernimmt der Schein das Sein. So scheint es auch Capucine ergangen zu sein: einer klassischen Schönheit von ausgesuchter Eleganz. Erfolgreich auf den Pariser Laufstegen, in Hollywood, in der Cinecittà. Und dann das Vergessenwerden. Blaise Hofmann zeichnet die Höhenflüge und den Niedergang der Ikone nach. Die zunehmende Verzweiflung ist spürbar.
Für wen: Filmophile, Schöne und weniger Schöne, Hollywoodfans und alle, die gerne wüssten, wie man zu französischem Chic kommt. Gut, letzteres wird man aus diesem Buch nicht lernen können.
Nicht zu fassen! Die Frau ist so klassisch schön – gerade nochmal gegoogelt -, dass ich schwören könnte, sie schon hundert Mal gesehen zu haben. Sie wirkt wie der perfekte Durchschnitt aller Hollywoodschönheiten ihrer Zeit. Aber den Namen habe ich bis gerade eben noch nie gehört oder gelesen.
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Danke, Jolanda, dass Du auf diese Biografie aufmerksam machst! Ich habe das Buch übersetzen dürfen und bin vor allem auch von der Art, wie Blaise Hofmann den Weg seines Recherchierens über die faszinierende Schauspielerin in seinen Text einbezieht, begeistert – und von seinem grossen Einfühlungsvermögen in die einstige Schönheit, die ihr Leben lang immer wieder unter schweren Depressionen litt. Erschütternd sind ihre letzten Jahre des Rückzugs, bis sie die Einsamkeit, das Altern, das Nicht-mehr-gefragt-Sein nicht länger ertrug. Ein sehr aktuelles Thema in der heutigen Zeit, in der das Aussehen von Frauen immer noch überbewertet wird.
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Hallo Barbara
Ich habe mit Freude gelesen, dass du dieses Buch aus dem Französischen übertragen hast. Gratuliere! Du hast da, soweit ich es beurteilen kann, eine präzise, geradlinige und seriöse Arbeit abgeliefert. Und ebensoviele Freude hat mir die Herangehensweise von Blaise Hofmann bereitet. Erstaunlich feinfühlig, wie er mit diesem „Frauenthema“ umgeht
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Danke, liebe Jolanda. Und ich habe Deinen Blog erst jetzt entdeckt und freue mich, dass Du so gute Besprechungen machst, finde das eine sehr wichtige Aufgabe. In den Zeitungen gibt es ja kaum mehr Platz dafür.
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Dann herzlich willkommen auf meinem Blog, liebe Barbara. Mit dem Bloggen möchte ich vor allem auf unsere kleinen Schweizer Verlage aufmerksam machen mit ihren ausgesuchten Programmen. Ich finde einfach, dieses Engagement verdient mehr Beachtung.
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Mich hatte Capucine, als ich sie das erste mal in „What’s new, Pussy Cat?“im Kino sah, so elektrisiert, dass ich sie bis heute nicht vergessen konnte. Ihre Eleganz und klassische Schönheit hat mich, obwohl ich sie viel zu schlank finde, nachhaltig beeindruckt. Ich sah sie dann noch in „Venedig sehen – und erben“, „Der rosarote Panther“ und vor kurzem in „Nur wenige sind auserwählt“. (gekaufte DVD)
Von ihrem Selbstmord erfuhr ich etwas verspätet in den 90er-Jahren. Jetzt habe ich erneut nach ihr gegoogelt und eine Menge Fotos und Filmausschnitte entdeckt und als alter Fan gespeichert. Ihre Schönheit und ihr Schicksal berühren mich noch heute.
Dann habe ich auch das Buch von Blaise Hofmann entdeckt, das ich inzwischen fast ganz gelesen habe. Eine ganz außerordentlich feinfühlige, unkonventionelle und diskrete Arbeit, ihr wechselvolles Leben trotz lückenhafter Quellenlage zu erfassen. Mich berührt dieses Buch ganz außerordentlich, wie mich sonst wohl noch nie eine Biografie nahezu aufgewühlt hat.
Ich entdecke dabei Seiten von ihr, die mir sehr zusagen: Sie hat viel und gern gelesen, sie hat sich vom Hollywood-Rummel gern distanziert und konnte gut allein sein. Am Schluss war sie zuviel allein.
Obwohl ich in zweiter Ehe die Frau meines Lebens gefunden habe, ich könnte mich noch heute auf der Stelle in diese wundervolle, sehr schöne und sehr gescheite Frau verlieben.
Ich werde demnächst 78 und habe vor kurzem unter jüngeren Bekannten und Freunden eine Art Quiz-Umfrage zu ihr veranstaltet. Keiner kannte sie.
Sie ist zu Unrecht vergessen. Mir aber war sie immer präsent. Das wird auch so bleiben.
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Lieber Volker Kirsch
Ich freue mich sehr über ihren Kommentar. Ich bin erfreut zu hören, dass Capucine nicht ganz vergessen gegangen ist.
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