Ernst Halter ist ein gelehrter Kopf, aber auch ein Schriftsteller mit Leidenschaft fürs Lyrische. Sein Roman Mermaid legt beides auf den Tisch: Das Buch ist eine Liebeserklärung an die Magie der Sprache, gleichzeitig Verführerin und Zerstörerin.
Mit dem Verfassen eines Liebesromans hat sich Ernst Halter ein nicht ganz einfaches Projekt vorgenommen, gilt es doch einige schriftstellerischen Klippen zu umschiffen. Schmalziges mögen wir nicht oder nur in homöopathischen Mengen, mit Schmuddeligen oder Pathetischem halten wir es genauso. Ausserdem wirken Liebespaare für Betrachter zwar manchmal neiderregend süss, aber mindestens ebenso – man sei mir nicht böse – als Menschen, die im Moment nicht ganz ernst zu nehmen sind. Dennoch oder gerade deswegen:
Halter hat den Versuch gewagt und mit Mermaid einen Roman über die Liebe geschrieben, die ganz grosse Liebe, die mit der Haut und den Haaren, dem Einen und Einzigen, dem Ganz-und-gar auf immer und ewig. Mermaid möchte nichts weniger als das Wesen der Liebe ergründen, diese verrückte Verbindung von Geist und Fleisch. Auf der einen Seite so überirdisch-unfassbar, auf der anderen nicht mehr als eine biologisch erklärbare Funktion. Wie nahe liegen dabei Höhenflug und Bruchlandung zusammen.
Zur Story: Das Liebespaar ist ein Gelehrter namens Elias, seine Flamme eine attraktive, kunstbewanderte Mailänderin namens Stella. Um das Dreieck komplett zu machen, gibt es noch die an der Welt leidende Ellen, Elias Frau, die zu Hause auf ihren Gatten wartet. Doch Elias ist hin und wieder unabkömmlich, nämlich immer dann, wenn es die beiden Turteltauben mit aller Macht zueinander zieht. Dann treffen sie sich in einem Hotel, um übereinander herzufallen. Vorher oder danach gibt es einen Abstecher ins Grüne, auf eine Burg oder zu einem Kunstwerk. Und alles, was am Wegrand steht und liegt, beziehen Elias und Stella auf ihre Liebe: Ein Paar, das nur zusammen Eins ist, aber der Umstände halber nicht Eins sein darf. Trotz „ewiger Liäbi“: die Treffen werden von Mal zu Mal schwieriger, es gibt einiges an Spannungen, an Überspanntheiten zu durchleben, und nur die Gattin zu Hause reagiert mit „Abwarten und Tee trinken“.
Es wäre falsch, aufgrund meiner eher ironischen Zusammenfassung der Story zu meinen, wir hätten es hier mit Kitsch zu tun. Allerdings, wäre es einzig der Geschichte wegen, wir dürften die Sache vergessen. Bücher über unglückliche Liebeshändel gibt es nun wirklich andere, denen ich Ewiggültigkeit zugestehen würde. Es ist eben der Text als solcher, welcher Halters Buch speziell macht. Zwei Liebende, die sich eine neue Sprache füreinander schaffen, eine Sprache voller Poesie, weil die Worte und Namen, die „normale“ Liebende einander zuflüstern, für das, was sie fühlen, nicht ausreicht. Ihre Treffen und Briefe sind immer auch ein Nachdenken über die Beschaffenheit der Liebe, die sie immer mehr als ihre Religion zelebrieren.
Titel: Mermaid,Roman, gebunden, 344 Seiten
Autor: Ernst Halter
Verlag: Klöpfer & Meyer, 2018
ISBN 9783863514631
Kurzbewertung: Etwas kopflastige, nicht ganz pathosfreie, aber differenziert und wohlformulierte Liebens-, Betrugs- und Bettgeschichte. Es gibt Sätze, die möchte man sich übers Bett hängen.
Für wen: Für den, der’s überspannt mag und gerne etwas über die Philosophie der Liebe nachdenken möchte. Er könnte aber auch in die Welt hinausgehen und lieben üben.
Gedicht zum Buch: Und weil es gerade so schön passt hier einen Link auf die Lyrikzeitung & Poetry News, wo Ihr ein Gedicht von Ricarda Huch findet: Ich will dich. https://wp.me/pBWBE.b25