Asmas kulinarische Umarmungen

Meine Schwiegermutter hat ihren Grosskindern ein Kochbuch mit ihren besten Rezepten geschenkt. Wie ich sehe, kochen diese auch gerne danach. Mein Sohn meint, von mir könne es nie ein solches Kochbuch geben, weil ich gar keine Lieblingsrezepte habe, sondern ständig Neues ausprobiere. 

Das stimmt. Ich bin einfach zu neugierig, als dass ich mich mit Knöpfli, Rösti und Co. zufriedengäbe. Aber ein paar Lieblingsrezepte habe ich schon, sie fallen mir nur sehr selten ein. Seit ich über Kochbücher schreibe, ist es mit meinem Lieblingsrezept-Gedächtnis nicht besser geworden. Ich habe aber ein paar Lieblingsküchen. Eine davon ist die indische, und damit wäre ich endlich beim Thema dieses Blogbeitrags: Asma’s indische Küche.

Asma Khan betreibt in London am Covent Garden den Darjeeling Express. Ihre Kochkunst soll – so steht es auf der Buchrückseite – „die Gäste kulinarisch umarmen und ihre Seele zum Strahlen bringen“. Das ist natürlich etwas dick aufgetragen, aber schwurbelige Buchrückseitentexte halten mich nicht vom Experimentieren in der Küche ab. Deshalb also habe ich Asma Khans Rezeptsammlung (voller Titel: Asma’s indische Küche, meine Familienrezepte aus dem Darjeeling Express) mit dem herrlichen Retro-Cover aufgeschlagen, meine Gewürzsammlung hervorgeholt und einige Runden lang gemörsert, angebraten, geköchelt und gebacken, dass man es bestimmt in der ganzen Umgebung erschnuppern konnte. Ergebnis: yamyam, mampf, mmh.

Ja, es geht auch etwas genauer. Asmas Rezepte stammen aus ganz Indien und decken dessen ganze Vielfalt ab. Sie sind gut beschrieben und mühelos nachzukochen. Hält man sich daran, ist das Ergebnis erfreulich und im Nu weggeputzt. Die Zutatenlisten sind auf den europäischen Haushalt zugeschnitten. Die Kapiteleinteilung ist nicht, wie man es vielleicht gewohnt ist, nach Speisekategorien (Fleisch, Gemüse, Brot etc.) sortiert. Für Menschen wie mich, die ein passendes Rezept für die Zutaten in ihrem Kühlschrank suchen, ist die Rezeptsuche dadurch etwas aufwendiger. Khan zieht es vor, ihr Buch in die Kapitel Für zwei, Für die Familie, Mit Freunden sowie Festliche Mahlzeiten einzuteilen und bietet auch gleich entsprechende Menüvorschläge. Es lohnt sich in jedem Fall, das Werk von vorne bis hinten durchzusehen, sich zu merken, was man kochen möchte, den Einkaufszettel danach zu verfassen und erst dann loszulegen. Es kann aber auch sein, dass man sich komplett im Text verliert, denn Asma Khan versorgt uns nicht nur mit kulinarischen Umarmungen, sondern hat auch noch zu jedem Rezept eine informative Ergänzung über den Ursprung, die Unterschiede zwischen England und Indien, lokale oder eigene Variationen verfasst. Und was mir besonders sympathisch ist: Sie hat nichts gegen Experimentierfreudigkeit und Freihandinspirationen, gibt Tipps für schnelle Küche und lässt auch dem Humor seinen Platz. So soll ihr Sohn einmal gesagt haben: „Meine Mama kocht ganz eklig.“ Und damit wäre ich wieder bei meinem Sohn, der Kreuzkümmel ganz ganz eklig findet. Unverständlich, oder?

Titel: Asma’s Indische Küche, meine Familienrezepte aus dem Darjeeling Express, 184 Seiten, gebunden

Autorin: Asma Khan

Verlag: at Verlag, 2020

ISBN 978-3-03902-087-4, Fr. 29.90/Euro 24.–

Kurzbeschrieb/-bewertung: Herrlich duftende und schmeckende Rezepte aus Indien, von einfach bis etwas aufwendiger, aber immer gut erklärt und deshalb ohne Probleme nachzukochen. Man braucht dazu auch keinen Tandoori. Ergänzt wird der sympathische Band mit Bildern, Fotografien aus Indien und Einblicken in das Leben dort.

Für wen: Für alle, bei denen es im Schrank immer Kreuzkümmel, Kurkuma, Ingwer, Chili und Bockshornklee hat.

Kochen auf Indisch geht auch entspannt

In meiner letzten Buchbesprechung ging es um das Frauenbild in Indien. Heute nun ein gleichfalls indisches Thema, aber ein rundweg Erfreuliches, nämlich die ayurvedische Küche.

Ich habe mir zwei völlig unterschiedliche Ayurveda-Kochbücher von zwei Verlagen erbeten und sie erfreulicherweise zur Besprechung erhalten. Das erste werde ich heute rezensieren, die Beschreibung des anderen wird zu einem anderen Zeitpunkt folgen.

Heute also Ayurveda-Küche für jeden Tag von Dr. Barbara Wirth.

Die Autorin verspricht nicht zuviel, wenn es im Titel weiter heisst: Ayurveda goes West: 110 einfache Rezepte. Tatsächlich ist Ayurveda hierzulande keine einfach umzusetzende Angelegenheit. Wer sich damit auch nur ein bisschen befasst, erkennt bald, dass es nicht nur um ein bisschen Joga und Massagen geht, sondern eine ganze Philosophie dahintersteckt, die sich aus jahrhundertealtem Wissen nährt. Wer mit Ayurveda aufwächst, wird es wohl einfacher haben, als unsereins, die wir uns bestenfalls mal eine ayurvedische Massage gönnen und uns danach wunderbar fühlen. 

Dieses Wohlgefühl gilt es beizubehalten oder zu gewinnen. Dazu gehören selbstverständlich gesunde, frische Nahrungsmittel, wie sie in der ayurvedischen Küche selbstverständlich sind, angereichert mit Kräutern und Gewürzen, die im übrigen als kleine Apotheke gelten und sehr bewusst und gezielt eingesetzt werden. 

Barbara Wirth hat in ihrem Kochbuch Ayurveda-Küche für jeden Tag Rezepte für alle Dosha-Typen zusammengestellt. Wer also über seine Dosha und -Disbalancen noch nicht Bescheid weiss, ist mit diesem Kochbuch auf der sicheren Seite. Hat man erst einmal in Sachen Ayurveda „angebissen“ und will seine Kenntnisse vertiefen, lohnt sich eine Dosha-Bestimmung durch eine Fachperson. Bis dahin kann man sich dank der einfachen Infos zum ayurvedischen Gedankengut auf den ersten Seiten des Buches den Spass machen, sich selbst einzuschätzen. Aber Achtung: Das hat dann mit einer ernsthaften Typen-Bestimmung nichts zu tun.

Das Mantra der Autorin heisst: Ayurveda geht auch entspannt und unkompliziert. Dafür bin ich ihr dankbar und bin sicher, mit mir erfreuen sich an diesem Satz noch andere. Barbara Wirth hat nämlich erkannt, dass die Umsetzung einer Philosophie aus einem fremden Kulturkreis jemand Willigen schnell an die Grenzen des Machbaren bringen kann. Die Bedingungen und Denkweisen hierzulande sind anders als in Indien. Also muss auch die Umsetzung etwas angepasst werden. Barbara Wirth wagt mit ihrem Kochbuch den Brückenschlag und passt die ayurvedische Küche europäischen Bedürfnissen und Gepflogenheiten an. Das Ergebnis möchte ich als rundum gelungen bezeichnen. 

Ich habe – bisher – nachgekocht: Aromatischer Couscous – wunderbar, aromatisch eben. Dazu gab’s Rote Bete mit Meerrettich-Joghurt – davon kann man gar nicht genug bekommen. Dasselbe gilt für die Fruchtigen Karotten mit Sesam. Alles schnell und unkompliziert zuzubereiten. Weitere Rezepte warten darauf, von mir erprobt zu werden: Hummus aus Linsen, Grüne Bohnen mit Schafskäse und Tomaten oder eine feine Fischsuppe… 

Das Buch beinhaltet unter anderem Rezepte für Frühstück, Hauptmahlzeit, Abendessen, Süssspeisen sowie Chutneys. Weiters Tipps, zum Beispiel über die Herstellung von Ghee (geklärter Butter), die im Handel erhältlich ist, aber einfach und um einiges günstiger selbst zuzubereiten ist. 

Titel: Ayurveda Küche für jeden Tag, Ayurveda goes West: 110 einfache Rezepte, kartoniert, 144 Seiten

Autorin: Dr. Barbara Wirth 

Verlag: Trias-Verlag 2018, http://www.trias-verlag.de

ISBN 978-3-432-105-482, Fr. 23.00/Euro 19.99

Kurzbeschrieb/-bewertung: Ayurveda-Küche für Menschen, die sich erst kurz mit der Ayurveda-Philosophie auseinandersetzen oder sich einen einfacheren Einstieg vorstellen. Wunderbare, aromatische und leicht umzusetzende Rezepte mit viel Gemüse und auch etwas für Fleischesser. Mit Zutaten, die in Europa leicht zu bekommen sind und gerne eingesetzt werden. Kurzum: ein Kochbuch, das einem Indiens Aromen, Gesundheitstipps und Farben im Nu auf den Teller bringt.

Für wen: Ayurveda für alle. Noch selten war gesund kochen und essen so sinnlich und bunt. 

Wieviel ist eine Frau wert?

Man hört es immer wieder: Das Leben von Frauen in der indischen Gesellschaft ist alles andere als Zuckerschlecken. Das Land macht öfters Schlagzeilen, wenn es um sie Stellung der Frau geht. Mal geht es um Abtreibung weiblicher Föten, dann wieder um Vergewaltigung oder die Stellung junger Ehefrauen im Haushalt der Schwiegereltern. Es geht um ruinöse Mitgiften, um Organ- oder Mädchenhandel oder um Witwen, die von ihren Familien verstossen werden. 

An der Situation der Frauen in Indien scheint sich kaum etwas zu ändern. Zu tief wurzeln althergebrachte Vorstellungen, die einer Frau nicht mehr als den Wert einer Dienstmagd und Gebärerin von Jungen einräumen. Zwar wird hie und da ein Prozess gegen Vergewaltiger geführt, und das Land bemüht sich um Gesetze, die Abhilfe schaffen sollen. Doch was ändert das, wenn sich in den Köpfen und Herzen der Menschen (Männer) nichts bewegt und vor allem, wenn drückende Armut und Elend das Leben vieler bestimmen?

Hier setzt auch der Roman „Mädchen brennen heller“ von Shobha Rao an. Die Autorin stammt selbst aus Indien, wanderte aber als Kind nach Amerika aus. In ihrer Arbeit als Rechtsänwältin ist sie zahlreichen Opfern häuslicher Gewalt begegnet. Die Geschichten, die sie in ihrer Arbeit gehört hat, dürften Wesentliches zu ihrem Roman beigetragen haben.

Die Geschichte  führt uns in ein indisches Armutsquartier. Purnima und Savita sind zwei Mädchen, die schon in jungen Jahren mit der harten Realität konfrontiert werden. Purnimas Mutter ist gestorben. Sie übernimmt die gesamte Hausarbeit und arbeitet am Spinnrad mit. Savita webt zusammen mit Purnimas Vater Saris. Die beiden Mädchen freunden sich an und wagen es, von einem besseren Leben zu träumen. Doch dann wird Savita vergewaltigt und flieht vor einer Zwangsheirat mit ihrem Vergewaltiger. Purnima ihrerseits muss einen Fremden heiraten. Doch ihr ist damit kein Glück beschieden.

Die Autorin greift in ihrem bewegenden Roman die meisten der oben erwähnten Missachtungen und Gewaltakte auf, denen Frauen in der indischen Gesellschaft ausgesetzt sind. Nichts, was die beiden jungen Frauen wagen, scheint unter einem glücklichen Stern zu stehen. Trotz allem, was ihnen widerfährt, halten sich Savita und Purnima aufrecht. Purnima will ihre Freundin um jeden Preis wiederfinden. Dieser Entschluss wird sie einiges von ihrer Selbstachtung und übermenschliche Energie kosten.

Titel: Mädchen brennen heller, gebunden, 384 Seiten

Autorin: Shobha Rao, aus dem Amerikanischen von Sabine Wolf 

Verlag: Elster Zürich 2019, http://www.elstersalis.com

ISBN 978-3-906903-12-5, Fr. 32.00/Euro 24.00, 

Kurzbeschrieb/-bewertung: Hierzulande haben Frauen gerade ein politisches Hoch – andernorts geht es ums schiere Überleben in frauenverachtender Umwelt. Zum Beispiel Indien, wo die Terrorisierung von Frauen grausamste Formen kennt. Zwei junge indische Frauen kämpfen sich durch. Bewegend, erschütternd, leidenschaftlich, mitreissend, ungeschminkt und klar geschrieben.

Für wen: Für alle, die finden, Frauen als menschliche Wesen und ihre Leistungen hätten überall Anerkennung verdient.