Retour du jour/ Concarneau, 17. Juni 2022

30 Grad, kein Schatten

Gerade ist Stillstand. Abends wächst einem das Meer bis in den Kopf, schickt Gerüche von verspiesenem Getier, von Algen, auch von Staub und süss blühenden Büschen. Auf der hölzernen Pietà legt sich die Zeit zur Ruhe; wieder ein Tag schwimmt mit den blauen Sardinen davon. Wie gut das wäre, im Schwarm zu tauchen. Flossen müsste man haben, die Kühle des Wassers würde man lieben, heisse Tränen könnte man vergiessen, auf dass sich der Atlantik erbarmt.

Touristenfalle / Concarneau 11. Juni 2022

Trotz Regen den Schildern nach

hinter jeder Kurve ein Rätsel

ellenlang verwirrt

trompé du chemin

weder Kuh noch Mensch

in Gegenrichtung sumpfig, lange

Grashalme streifen Tropfen ab

Dann endlich: Tourc’h

ein Markt, der nicht hält 

was der Prospekt verspricht

Retour du jour/ Concarneau, 6. Juni 2022

Was ich noch hören kann

Das Geschlenker der Weidenäste im Wind und

wie die Kathedrale sich in den Himmel tänzelt

Den Herzschlag der Eichen

den Mittagstraum des Geissblatts

Das nächtliche Klopfen in den Beinen

das Kleinerwerden der Wünsche 

Das Rascheln von Wundertüten

Retour du jour, Perros-Guirec 29. Mai 2022

Rückblick

Eines Abends

bei haute maree

spielte die grosse Meeresorgel

rollte Steine 

riss mit sich

nahm ins Gebet

schliff, besserte aus 

schlug den Rhythmus 

an die Hafenmauer

wühlte auf, donnerte

erbrach sich

warf uns Gischt

in die erstaunten

Visagen

Wir hatten ja keine Ahnung –

Retour du jour/ Perros-Guirec 9. Mai

8. Mai, in Frankreich Gedenktag zum Ende des 2. Weltkriegs

Schon schön, dieser Planet.

Der Strand hier ist schön.

Der Sand ist schön

    weich, manchenorts glatt, dann wieder gerillt

            rosa und silbern.

Das Wetter seit Tagen nichts als schön. 

Der Sonnenuntergang, wirklich schön.

Schön, die Wellen, 

ein bisschen stur vielleicht, 

oder gerade deshalb schön.

Kein Bar offen: 

schade, aber schön und gut.

Die Möwen im Flug: schön.

Die Tauben, ihr Gurren 

vor dem Fenster ganz schön 

nervig.

Aber sonst

alles sehr schön.

Am 9. Mai soll es noch schöner werden.

Retour du Jour/Perros-Guirec, 7. Mai

Auf dem Trockenen sehen die Boote verloren aus

als hätten sie schon das Dümpeln verlernt

Es bräuchte ein starkes Fernrohr

zu sehen, was nicht zu sehen ist:

Die grossen Schiffe ziehen draussen 

Manchmal ist ein Tag gerade voll genug

Dünensand, Glitzerbucht, Stechginster 

Wie lange dauert es, bis man das Sehenswürdige gesehen hat,

das Offensichtliche normal wird?

Retour du jour/ Perros-Guirec 5. Mai 2022

Vallées de Traouiero:

Vokale zum Stolpern durch Grün

Verzaubert von Feen

Irrst du dich im Heimweg

Ach, hättest du ein paar Brotkrumen eingepackt

Auf den Pfad der Erkenntnis

Jetzt steht der Bleistift still:

Über dem Blatt eine Gegenwart

von Schatten, licht, begleitet 

von blaublüh Gebimmel

Retour du jour, Perros-Guirec 3. Mai 2022

Schnell unterwegs hier das Wetter

Nimmt die falsche Richtung

Aufs Meer hinaus ein Wirbel

Beim rosa Leuchturm Granittürme bestaunt

Draussen ein Segelschiff

Eine Chantal getroffen, Hündchen im Arm

Mit Rotkehlchen drei Pfiffe gewechselt

Das Gefieder geputzt

Neben Sandburgen ein Seevogel, tot

Um acht holt ihn wieder das Meer

Mit etwas Mühe

Sind die Menschen wegzudenken

Catch oft the day / Perros-Guirec, 2. Mai 2022

Jolanda Fäh

Gerade bewölkt

Das tägliche Sandbild fehlt

Das Meer hat sich für Stunden verzogen

Sind Zweifel im Rufen der Möwen

Und ärgerlich die Antwort der Amsel

Kein Freiraum zwischen den Katamaranen

Von irgendwoher hergetrieben

Samenkapseln, gefüllt mit Magie

Die Alte aus unserem Haus

Mit Jackentaschen voller Krümel

Va a se promener