In der 22jährigen Hekla schlummert ein Vulkan, ein Schreibfeuerwerk, das nach draussen muss. Doch Hekla lebt auf Island in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts. Schriftstellernde Frauen gelten dort gerade als Unding der Natur, oder sie bringen sich um. Keine guten Voraussetzungen für Hekla, die sich als Serviererin über Wasser hält. Ihre männlichen Gäste legen ihr nahe, sich für den Job als Miss Island zu bewerben. Hekla ist von der Idee wenig begeistert.
Hekla ist eine junge Frau vom Lande, die sich in die Stadt aufgemacht hat, um frei zu sein und ihren Weg zu gehen. Sie ist anders als die anderen, weiss das auch und versucht gar nicht erst, sich der Norm anzupassen. Die Stärke dazu haben ihr ihre Eltern mit auf den Weg gegeben. Wenn es hart auf hart kommt, hat sie in Reykjavik ihren Freund Jón John und ihre Freundin Ísey. Jón John ist schwul und droht, daran zugrunde zu gehen. Ísey ist voller Poesie, doch sie hat sich jung verheiratet und ist Mutter geworden. Sie hangelt sich melancholisch durch ihre Hausfrauentage.
Miss Island von Audur Ava Ólafsdóttir ist eine Geschichte, die von innerer Stärke handelt und dem Vertrauen in das eigene Talent. Dass die Gesellschaft Andersartigen Hürden in den Weg legt, ist auch Hekla klar. Und dass sie sich nicht von ihrem Weg abbringen lässt ebenso, auch wenn das Verzicht bedeutet. Gleichzeitig ist Miss Island ein Roman über die Liebe zum geschriebenen Wort und zur Landschaft, in der das Wort hervorbricht, sich seinen Weg bahnt, sich wie ein Vulkan neue Inseln baut. Ein kleines literarisches Juwel: amüsant, poetisch, kraftvoll.
Titel: Miss Island, Roman, 236 Seiten, gebunden
Autorin: Audur Ava Ólafsdóttir
Verlag: Insel, Berlin, 2021
ISBN 978-3-458-17902-3, Fr. 31.50, Euro 22.-
Kurz zusammengefasst: Emanzipation in den 70ern auf Island. Eine gelungene und witzige Mischung aus Zeitgeschichte, Bohème, Coming of age mit viel isländischem Einschlag. Sollte man lesen.
Für wen: Alle, die Mut brauchen, ihren Talenten und Träumen zu vertrauen.