Zürichs Mordserie geht weiter

Auf der Zugfahrt von einer Buchpräsentation versank ich gestern förmlich in einem Krimi. Der Titel: Mord im Lesesaal, die Autorin: Susanne Mathies; dies ist bereits ihr vierter Zürich-Krimi. Leider, leider war meine Zugfahrt nicht lange genug, ich werde das Ende der packenden Story heute lesen müssen. Zum Glück stürmt der Föhn draussen durchs Land, so dass einem gemütlichen Kriminachmittag auf dem Sofa nichts im Wege steht. 

Tatort ist der ehrwürdige Lesesaal der Zürcher Museumsgesellschaft am Limmatquai. In diesen Raum gelangen sonst nur Mitglieder. Doch jetzt sitzt dort in einem roten Lesersessel ein unappetitlicher alter Mann, auf dem Teppich unter seinen Füssen breitet sich eine rote Blutlache aus. Die anwesende Krimiautorin Cressida Kandel nimmt sogleich die Ermittlungen auf, denn die Züricher Polizei hat gerade Besseres zu tun, als sich um einen Toten zu kümmern. 

Cressida Kandel ist eine Falllöserin nach meinem Geschmack. Durchsetzungsstark, selbstbestimmt, mal mit Charme, mal mit Witz lenkt sie die Ermittlungen. Dazu berechtigt sie sich gleich selber, hat sie doch „durch ihre Tätigkeit als Krimiautorin am meisten Erfahrung mit Polizeiarbeit“ und weiss, wie ein Täter tickt. Verdächtig sind eine Handvoll Personen, von denen Cressida schon vor dem Mordfall gedanklich ein Figurenprofil angelegt hat. Ich bin mal gespannt, wie weit sie damit kommt, ohne von den anderen im Lesesaal Anwesenden selbst verdächtigt zu werden.

Auch die anderen Figuren der Geschichte haben es in sichl: Da wäre zum Beispiel die Saalaufsicht Karin, die mit der Mordwaffe in der Hand ohnmächtig aufgefunden wurde. Oder Martin Leemann, der Sohn des verschwundenen Schriftstellers Solomon Leemann. Irgendwie nämlich scheint der gruselige Tote mit Solomon in Verbindung zu stehen. Schnell sind ein paar Thesen zur Hand, es wird mit dem Finger auf andere gezeigt, immer nach dem Motto: Schuldig ist der andere. 

Weiter gefällt mir der Schauplatz ausnehmend gut: Ein Ort, an welchem sich lauter anscheinend distinguierte Menschen treffen, ein Ort mit Historie, einen Steinwurf entfernt von den touristischen Hauptattraktionen Zürichs, ein Ort, an welchem man als Letztes einen Mord an einem vergammelten Alten erwarten würde. Die Geschichte ist süffig geschrieben, nimmt die lokalen Gegebenheiten aufs Schönste auf und liebevoll ein wenig auf die Schippe.

Hier schreibt eine Autorin, die ihren Wohnort mag, aber auch dessen Schwächen kennt.

Titel: Mord im Lesesaal, Krimi, 281 Seiten, Paperback

Autorin: Susanne Mathies

Verlag:  Gmeiner, Messkirch, 2021

ISBN 978-3-8392-0054-4

Euro 13.00, Fr. 19.90

Kurz zusammengefasst: Eine taffe Krimiautorin und Writer in Residence auf der Pirsch nach neuen Geschichten und einem Täter. In Zürichs Touristenquartier angesiedelt. An einem Ort, an dem Touristen nichts verloren haben. Zügig und mit Witz geschrieben.

Für wen: Für Agatha-Christie-Fans und alle, die nächstens mal nach Zürich müssen. (Wenn sie jemanden kennen, der jemanden kennt, dürfen sie vielleicht auch einen Fuss in den Lesesaal setzen. Der Blutfleck unter dem roten Sessel wurde so gut es geht entfernt.)

Veröffentlicht von

Jolanda Fäh

Journalistin, Autorin, Lektorin, Herausgeberin

2 Gedanken zu „Zürichs Mordserie geht weiter“

  1. sehr gute Rezensiom, aber im dritten Absatz sind wichtige Begriffe verwirrend vertauscht, nämlich „Tätigkeit als Krimiautorin“ und „Erfahung mit Polizeiarbeit“ – mankann  ja da worhl wirklich nur in einer Richrung was lernen, nicht durchs Schreiben über die Wirkichkeit, sondern in umgekehrter Richtung – unbedingt korrigieren!

    herzlich dankt Jürgen Lodemann

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  2. Liebe Jolanda Gut, bin ich nicht einfach, tratullula, mit nach Gams gefahren – gelockt hat mich der Gedanke schon – denn dann hättest du dich nicht in das Mordgeschehen im Lesesaal vertiefen können, sondern hättest höchstens die Augen verdrehen können ob meinen Geschichten, Ideen und Träumen und den Schwierigkeiten, sie real werden zu lassen. Unser Wiedersehen hat mich sehr erfreut. Deine Geschichte ebenso!

    Das Island-Buch aus seinem Blog scheint mir verheißungsvoll, werde ich unbedingt kaufen wollen. Um es mir in den bereits langen Nächten zu eigen zu machen oder so. ( schon wieder tippe ich diese Nachricht während ich im Zug sitze, eine Unart, die ich loswerden will.)

    Hoffnungsvoll, herzlich Margrit

    Margrit Grazioli Hohlandstrasse 3 8404 Winterthur 079 348 97 69 margrit.grazioli@bluewin.ch

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