Manchmal frage ich mich, ob und inwiefern sich das Leben von uns Frauen in den letzten 50 Jahren verändert hat. In meiner Generation galt die Berufswahl für Mädchen nach der Schule als eine Selbstverständlichkeit, auch wenn es hie und da noch hiess, man heirate ja dann doch. In diese Aussage eingeschlossen war nicht nur die Aussicht auf Kinder, sondern auch, dass der Ehemann schon für den zukünftigen Lebensunterhalt aufkomme, und ebenso, es lohne sich nicht, allzu viel Zeit und Geld in die Ausbildung zu investieren.
Und tatsächlich sind die meisten meiner Jahrgängerinnen diesem eingepflanzten Lebensentwurf nachgekommen, wenn auch mit dem Anspruch, den erlernten Beruf irgendwann wieder aufzunehmen, «wenn die Kinder gross genug sind».
Und heute: Frauen lernen, wozu immer sie Lust haben. Sie arbeiten ohne Unterbruch. Kinder bekommen sie dann, wenn es passt, und das mit dem Heiraten überlegen sich einige doch recht gut. Ehemänner wollen auch keine Versorger mehr sein, sondern Partner. Das klingt soweit ganz gut, inwieweit es funktioniert, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Die grosse Freiheit also?
Welche zähen politischen und persönlichen Schritte es hin zu dieser Situation brauchte: Mir kommt vor, da bestünden heutzutage etliche Wissenslücken. Da scheint ein Rückblick in die Siebzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts gar nicht so verkehrt. Was trieb Frauen zu jener Zeit der orange-braunen Blümchentapeten um, wovon träumten sie?
Frauke Ohloff ist der Sache in ihrem Roman Fiona nachgegangen.
Fiona ist aus Deutschland in die Schweiz gezogen und sucht Anschluss und etwas, was ihr Leben ausfüllt. Was das sein könnte, weiss sie nicht. Vorerst lässt sie sich auf sexuelle Abenteuer ein, deren Anfang das Ende schon ahnen lässt. Ihr Mann Clemns scheint die Geduld in Person zu sein, verbringt aber immer mehr Zeit bei der Arbeit. Fionas Verhältnis zu ihrem Sohn Stefan scheint eher analytisch als gefühlsbetont. Fiona hat viel Zeit über ihre Situation nachzudenken, über ihre Herkunft und Vergangenheit ebenso wie über ihre Wünsche für die Zukunft. Dabei stellen sich auch Fragen nach der (selbstgewählten) Begrenztheit ihres Lebens, nach Verantwortung und danach, wie sich Glück definieren lässt und vor allem, wie es sich festhalten lässt.
Möglicherweise ist Fiona ein typisches Beispiel der Nachkriegsgeneration: Verheiratet und finanziell von ihrem Mann abhängig, auf der anderen Seite aber bereit, sich aus dieser Situation zu lösen oder wie es so schön heisst: sich selber zu finden. Dieses Sich-selber-Finden kann aber immer nur im Vergleich mit anderen stattfinden. In Fionas Fall beispielsweise in der Begegnung mit Johanna oder dem Ehepaar Richter. Fiona sucht Herausforderungen und findet doch nur neuen Mief, andere Einschränkungen und missliche Lagen. Die Männer in Frauke Ohloffs Roman kommen oft etwas übergriffig daher. Sie scheinen allesamt zu wissen was Frau braucht und denkt.
Titel: Fiona, Roman, 225 Seiten, Paperback
Autor: Frauke Ohloff
Verlag: Edition Hartmann, Bern, 2021
ISBN 978-3-905110-42-5, Fr. 35.–
Kurz zusammengefasst: Fiona, eine Frau zerrissen zwischen den inneren und äusseren Ansprüchen, sucht einen Weg aus der Lethargie. Männerbekanntschaften, ein neuer Arbeitsplatz, die Herausforderungen als Mutter und Ehefrau, das fremde Umfeld: überall stösst Fiona an Grenzen. An innere und äussere.
Für wen: Glückssucher/innen.