Zwei junge Iren im Irrgarten der Gefühle

Erwachsenwerden und zu sich selber und zueinander Finden ist auch im 21. Jahrhundert schwierig. Davon erzählt Sally Rooney in Normale Menschen.

Marianne liebt Connell so sehr, dass sie schlichtweg alles für ihn tun würde. Connell ist es aber wichtiger, bei seinen Schulkollegen gut dazustehen. Doch obwohl Marianne als sonderlich gilt, kann Connell nicht von ihr lassen. Mit niemandem sonst versteht er sich so gut wie mit ihr. Und der Sex mit Marianne ist auch nicht schlecht. 

Am College in Dublin ist plötzlich Connell der Aussenseiter, während Marianne offensichtlich beliebt ist. Beide versuchen es mit Liebschaften. Doch auch jetzt noch können die beiden weder mit- noch ohne einander. Auf ihre intensiven Zusammenkünfte folgt auf den Fuss Ernüchterung.

In diesem Roman ist Magie: Erzählmagie, Erste-Liebe-Magie und die Magie einer tiefen Verbundenheit. In diesem Roman ist aber ebensoviel Trauer: die Trauer derjenigen, die letztlich immer allein stehen; derjenigen, die unverstanden und beiseite geschoben werden; jene des Nicht-Genügens und des ewigen Missverstanden-Werdens. Sally Rooney packt all diese Dinge subtil zwischen ihre beinahe sachlichen Zeilen. Beispielsweise in Dialogen, in denen mehr ungesagt als ausgesprochen wird. 

Das klingt dann so:

Liebst du ihn?, fragt Connell.

Ihre Hand verharrt auf der Kühlschranktür.

Das passt so gar nicht zu dir, dich für meine Gefühle zu interessieren, Connell, sagt sie. Ich dachte irgendwie, diese Sachen wären zwischen uns tabu, muss ich sagen.

In Ordnung. Okay.

Er reibt sich wieder den Mund, wirkt jetzt unaufmerksam. Dann senkt er die Hand und sieht aus dem Küchenfenster.

Sally Rooney erzählt uns das Schweigen. Genau dies scheint mir ihre Stärke zu sein und gibt ihrem Roman Wucht und Ausdruckskraft.

Titel: Normale Menschen, Roman,  317 Seiten, gebunden

Autorin: Sally Rooney, aus dem Englischen von Zoë Beck

Verlag: Luchterhand, 2020, 

ISBN 978-3-630-87542-2, Fr. 32.–/Euro 24.90

Kurzbeschrieb/-bewertung: Irische Romeo und Julia 2011-2014. Zwei die sich magnetisch anziehen und wieder abstossen. Der Roman brilliert durch seine nüchterne Sprache, mit Zwischentönen, welche die Verzweiflung der Protagonisten fühlbar machen.

Für wen: Alle, die schon mal unglücklich verliebt waren.

Veröffentlicht von

Jolanda Fäh

Journalistin, Autorin, Lektorin, Herausgeberin

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s