„…sie flickend mer d Hose mit Härdöpfelhüüt“ **

Ich mag leicht schräge Kochbücher. So habe ich mal eines über spanische Vorspeisen gekauft. Es war illustriert mit „leergefressenen“ Tellern. Die Idee fand ich originell, wenn auch die dargestellten Speisereste mehr abschreckend als appetitanregend daherkamen. Die Rezepte aus diesem Buch entpuppten sich leider als Reinfall. Diese Erfahrung hält mich aber nicht davon ab, weiterhin nach ungewöhnlicher Kochliteratur Ausschau zu halten. 

Momentan liegt ein Buch auf meinem Tisch, das in Sachen „ungewöhnlich“ einiges verspricht. Beim at-verlag erschien dieser Tage Clever kochen Null Abfall von den Autorinnen Giovanna Torrico und Amelia Wasiliev. Und was zeigt das Cover? Ausgepresste Orangen, die leeren Hülsen von Bohnen, Bananenschalen, eine abgeschabte Lachshaut! 

Die Verschwendung von Lebensmitteln ist derzeit in aller Munde. Teuer produzierte Lebensmittel werden untergepflügt, ans Vieh verfüttert oder landen im Eimer. Wir sind im Überfluss gross geworden und haben offenbar nie mitbekommen, mit welcher Ehrfucht unsere Grossmütter und Mütter mit Speisen umgingen. „Brot ist nicht hart, kein Brot, das ist hart“, sagt meine Schwiegermutter. Sie hat noch Kriegsjahre erlebt.

Ich selber pflege schon immer einen behutsamen Umgang mit Lebensmitteln. Von daher fühle ich mich nicht angesprochen, wenn von Foodwaste die Rede ist. Ich verschwende nichts; was bei mir an Lebensmitteln unverwertet bleibt, ist nicht der Rede wert. Hartes Brot wird bei mir zu Knödeln und Bröseln verarbeitet oder zu einer Suppeneinlage. Aus Eiweiss entstehen hochbegehrte Meringues; Gemüse-, Fleisch- und Kräuterreste verwandeln sich in Bouillon usw. Doch wenn ich an die Bananen- oder Orangenschale vom Buchcover Clever kochen null Abfall denke: Von diesen wäre mir noch nie in den Sinn gekommen, dass ich sie weiterverwerten könnte, ebensowenig wie die Stiele von Erdbeeren. Vielleicht kann ich ja doch noch etwas von Giovanna Torrico lernen. 

Tatsächlich verspricht sie einiges an Köstlichkeiten aus Sachen, die selbst bei einem Verbraucherfuchs wie mir auf dem Kompost landen: Radieschen- und Karottengrün, Randenblätter, selbst die Haut von Tomaten werden verarbeitet, erstere in einer Frittata oder als Relish, letztere gedörrt und gemahlen als Würze. Überhaupt wird bei Torrico einiges getrocknet und kommt als Würzmittel zum Einsatz, etwa die Schalen von Zitrusfrüchten, die Kerne und Schalen von Kürbis und Melone. Die gewonnenen Pulver oder Flocken sind breit einsetzbar, mal für Süsses, mal für salzige Gerichte.

Nun ist es in einem gewöhnlichen Haushalt nicht üblich, dass grosse Mengen an Fleischresten oder Rüstabfällen anfallen, so dass es sich lohnen würde, diese weiterzuverwerten. Giovanna Torrico hat aber Ratschläge auf Lager, wie trotzdem daraus Brühen, Suppe, Chips und Dips werden.

Etwas Mühe habe ich dann aber doch beim einen oder anderen Punkt. Kartoffelschalen zu verarbeiten beispielsweise. Kartoffeln sind Nachtschattengewächse und werden nicht ohne Grund geschält: Unter der Kartoffelhaut befindet sich giftiges Solanin, besonders aber in den Augen, den grünen Stellen und Keimen. Speisen aus Kartoffelhäuten würde ich aus diesem Grunde keine herstellen. Bei aller Sparsamkeit. Da würde ich es eher machen wie in einem Schweizer Volkslied, wo die Eltern die Hosen ihrer Kinder mit „Härdöpfelhüüt“ flicken. 

Eine Warnung möchte ich gleichermassen vor überreifen Beeren oder Avocados aussprechen, die im Buch verarbeitet werden. Was hinüber ist, ist hinüber. Das schmeckt dann auch nicht und ist womöglich – und im Falle der Beeren höchstwahrscheinlich – bereits schimmelig. Die Autorinnen rechnen hier wohl mit dem gesunden Menschenverstand ihrer LeserInnen. Da der aber nicht durchgängig vorausgesetzt werden kann, hätte eine Pilzwarnung nicht schaden können.

Und was das Sammeln von gebrauchten Teebeuteln anbelangt, um daraus erneut Tee herzustellen: Ganz ehrlich, da graust es mich. Wenn schon beim Tee gespart werden muss, dann würde ich getrocknete Apfelschalen etc. dafür verwenden. Einmalaufguss bitteschön!

Dritter und wichtigster Punkt meiner Kritik: Wer das Verarbeiten von Gemüse- und Früchteschalen propagiert, kann gar nicht oft genug betonen, dass es sich dabei immer um Produkte aus Bio-Produktion handeln sollte. Die Autorinnen empfehlen dies zwar, ich würde daraus ein Muss machen. 

Folgendes Fazit: Das Buch dient sicher als Augenöffner. Wer bisher schon einen sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln pflegte, kann trotzdem noch den einen oder anderen Ratschlag mitnehmen und Rezepte ausprobieren. Wichtige Aussage: die meisten Abfälle und Reste, die in der Küche anfallen, sind zu schade zum Wegwerfen. Ein Versuch lohnt sich. Ich werde es sicher bald einmal mit einem selbstgemachten Apfelessig aus Apfelschalen und -kerngehäusen probieren.

Titel: Clever kochen null Abfall, 100 Rezepte für eine Küche ohne Verschwendung, 256 Seiten

Autorin: Giovanna Torrico und Amelia Wasiliev

Verlag: at-verlag, www.at-verlag.ch

ISBN 978-3-03800-047-1, Euro 20,00/Fr. 24,90

Kurzbewertung: Speisereste und Rüstabfall gelungen verwerten, Vorräte anlegen, Würze und Essig selber machen, Bouillon herstelle, altbackenes Brot nicht den Schwänen verfüttern, denen es sowieso nur schadet, und bei alldem die Umwelt und den Geldbeutel schonen. In diesem Buch sind viele Tipps und 100 Rezepte dazu versammelt. Frisch und unverkrampft gestaltetes Buch.

Für wen: Für bewusste Köchinnnen und Köche, die sich mit dem Thema Foodwaste beschäftigen und etwas dagegen tun wollen. Für alle, die glauben, dass uns harte Zeiten bevorstehen und jene, die sich gerne darauf vorbereiten wollen.

** Aus einem Schweizer Volkslied: „…Sie flicken mir die Hosen mit Kartoffelhäuten.“

Veröffentlicht von

Jolanda Fäh

Journalistin, Autorin, Lektorin, Herausgeberin

6 Gedanken zu „„…sie flickend mer d Hose mit Härdöpfelhüüt“ **“

  1. Null Abfall meint ja hier wirklich „null“. Das ist schon etwas Besonderes und eine gute Anregung. Vor allem die ganzen Würzmittel interessieren mich. Nur mit Bananenschalen möchte ich nichts im Kochtopf anfangen, die kann man gut zerschnippeln und als Blumendünger verwenden.

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    1. Bananenschalen als Blumendünger zu verarbeiten rät auch das Buch. Im übrigen sollen sie auch als Schuhputzmittel funktionieren. Wirklich gekocht wird mit diesen Schalen soviel ich gelesen habe nicht. Hätte mich auch gewundert. Ansonsten aber verwertet die Autorin allerhand an Schalen.

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